Ich habe die beiden Ökonomen Karl Steininger und Andreas Löschel gefragt, wie 2023 war, wenn es um Reduktion von Emissionen geht. Hier das Gespräch, kurz zusammengefasst: Licht und Schatten.
- Wir sehen bereits sehr viel von der Klimakrise, obwohl wir „erst“ 1,3 Grad Erwärmung haben. Frostschäden im April, Überschwemmungen im Sommer, ein 3,5 Grad wärmerer Oktober. Die Extremereignisse werden immer sichtbarer.
- Der „Heizhammer“ in Deutschland: Ein schlecht vorbereitetes Gesetz zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors fliegt der Koalition um die Ohren. Das Endergebnis ist abgespeckt, aber trotzdem eine Verbesserung.
- Auch in Österreich wird das bereits in der Koalition abgestimmte Erneuerbare-Wärme-Gesetz daraufhin noch einmal aufgeschnürt und deutlich verwässert. Es kommt zu keinem Verbot von Gasheizungen in der Zukunft. Auch hier wird das Potenzial zur Reduktion der Emissionen nicht ausgeschöpft, aber es ist eine klare Verbesserung.
- Die Debatte hat wohl in beiden Ländern Langzeitschäden verursacht. Es wird in Medien und Politik wieder viel mehr über die Umstiegskosten gesprochen und über Belastungen – nicht über eine positive Vision für die Zukunft und auch weniger über die hohen Kosten, die ein Verzicht auf Klimaschutz verursacht.
- In beiden Ländern ist im Neubau der Umstieg auf erneuerbare Energien im Wärmesektor wirtschaftlich heute schon lohnend. Im Bestand gibt es jedoch Anreiz-Probleme, da der Vermieter den Umbau zahlt, während der Mieter Heizkosten spart.
- In Deutschland hat es die Regierung verabsäumt, den Menschen zu erklären, dass Klimaschutz zunächst auch eine Investition ist. Nicht alles ist automatisch „Win-win“, und das wird zu wenig kommuniziert.
- Durch den massiven Aufstieg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in beiden Ländern ist die Bereitschaft in anderen Parteien stark gesunken, sich auch für ordnungspolitische Maßnahmen im Klimabereich stark zu machen und Trade-offs zu kommunizieren.
- In beiden Ländern läuft der Ausbau der erneuerbaren Energien erfreulich gut. Vor allem der PV-Sektor boomt massiv, bei der Windenergie gibt es noch viel Potenzial nach oben. Bewilligungen müssen schneller und die Netze massiv ausgebaut werden.
- In Deutschland ist der Anteil der Kohle im Stromnetz stark zurückgegangen. Kohle wird zunehmend aus rein wirtschaftlichen Aspekten aus dem Markt gedrängt.
- Deutschland hat Österreich ein Klimaschutzgesetz voraus, das jedoch aufgeweicht werden soll. Die Vorgaben für die einzelnen Sektoren werden aufgeweicht. Die deutsche Regierung bricht das Klimaschutzgesetz und hat bereits eine Klage verloren.
- In Österreich war es wohl ein Fehler, mit dem Klimaschutzgesetz bis zum Ende der Legislaturperiode zu warten. Österreich hat sich zu EU-Zielen bekannt, aber sowohl Bundesländer als auch Gemeinden kommen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach.
- Deutschland fehlen Milliarden für den Klimaschutz, weil das Verfassungsgericht den Klima- und Transformationsfonds aufgehoben hat. Die Investitionen sollten aus einem Sondervermögen getätigt werden, um der Schuldenbremse auszuweichen.
- In Österreich passiert wenig ordnungsrechtlich, dafür fließt aber sehr viel Fördergeld. So viel, wie man sich vor zwei, drei Jahren nicht erträumt hätte. Heuer gab es etwa die erste Ausschreibung für Fördergelder zur Dekarbonisierung der Industrie.
- Auch der Klima- und Energiefonds hat mit 581 Mio. EUR ein so hohes Budget wie nie zuvor, mit dem beispielsweise Personal für Klimaschutz in der Verwaltung von Städten gefördert wird.
- Erfreulich ist, dass die automatische Erhöhung der CO2-Steuer für Verkehr und Gebäude auf 45 EUR mit 1.1.2024 ohne große Aufregung passieren wird. Vor allem bei der Fernwärme ist auch ein so niedriger Preis schon wirksam.
- In Deutschland gibt es jetzt einen Entwicklungsplan für das Stromnetz, der erstmals die Klimaneutralität 2045 mitdenkt. Auch bei der Beschleunigung von Verfahren wurden viele Fortschritte gemacht. In Österreich gibt es den „Integrierten Netzinfrastrukturplan“.
- In Deutschland ist das 49 EUR-Ticket ein Anreiz für den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr und ein Erfolg. Jetzt muss „nur“ noch die Bahninfrastruktur in das 21. Jahrhundert gebracht werden, dann kann es seine volle Wirkung entfalten.
- Der Klimabonus in Österreich ist ein großes Vorbild für die deutsche Politik. Er verteilt die Einnahmen aus der CO2-Steuer zurück an die Bevölkerung, wobei ärmere Haushalte relativ mehr profitieren. Deutschland hat das Klimageld verschlafen.
- In beiden Ländern ist der Verkehr ein Klima-Problemkind, auch wenn der Anteil an E-Autos wächst. Sie sind aber nur ein Teil der Lösung. Ein wichtiger Part wird in Österreich noch gar nicht angegangen: die Raumordnung.
- Wünsche ans Christkind? Karl Steininger wünscht sich, dass im Wahljahr 2024 keine politisches Kleingeld mit Klimapolitik gemacht wird. Andreas Löschel wünscht sich das auch – und mehr Pragmatismus und Akzeptanz für das Imperfekte in der Klimapolitik.
- Was können Bürgerinnen und Bürger tun? Beide sind sich einig: Druck auf die Politik ausüben. E-Mails an Bürgermeister, Landeshauptleute und andere Politikerinnen und Politiker schreiben. Den Medien schreiben. Und Freunden davon erzählen und zum Mitmachen bewegen.
Hier könnt ihr das ganze Gespräch anhören.
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