Das Transkript zum Finale der 3. Staffel zu Gentechnik

Wir haben fertig! Die 3. Staffel ist vorbei und heute gibt es noch meine Highlights aus den bisherigen Folgen der Staffel – was nehmen wir uns in Summe mit? Es wird einen kleinen Schnelldurchlauf geben.

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So,

Worum ging es also in dieser Staffel?

Die Ablehnung der Gentechnik in Österreich ist quasi Nationalheiligtum, so ein bisschen wie die Lippizaner, die Neutralität oder das Schnitzel. Darüber gibt’s keine Debatte. Das zeigt sich etwa in Abstimmungen im EU-Parlament, wo die Abgeordneten in Österreich ausscheren, das zeigt sich auch in Meinungsumfragen. Woher das hier und in Deutschland kommt, das wollte ich wissen – weil es glaube ich wichtig ist, dass wir im Kampf für eine klimaneutrale, wieder buntere Welt modernste Technik und Wissenschaft nutzen – genauso wie freiwillige und durch kluge Politik herbeigeführte Verhaltensänderungen. Genauso wenig wie man diese Probleme nur mit irgendeiner technischen Erfindung lösen kann, so können wir es uns leisten, auf Technik zu verzichten. Die Experten sind sich da einig, dass Gentechnik da eine Rolle spielen kann und sollte – neben ganz vielen anderen Dingen übrigens auch. Also da darf man auch nicht den Eindruck erwecken, Gentechnik sei die wichtigste Technologie… aber sie ist wichtig. Und wenn die Leute Gentechnik ablehnen – was lehnen sie dann noch alles ab? Atomkraftwerke, ja sowieso, das wäre noch einmal eine eigene Staffel, aber manche auch E-Autos, oder Windräder, oder PV-Anlagen auf der Freifläche, oder was auch immer noch in der Zukunft auf uns zu kommt und alles davon ist nicht gut.

Das war also meine Grundfrage in dieser Staffel – ich wollte das besser verstehen, denn nur wenn wir wissen in welchen Gesellschaften wir leben können wir effektiv Schritte hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft machen.

In Folge 1 war mal der Molekularbiologe Martin Moder da. Er hat uns mal erklärt, dass es verschiedene Formen der Gentechnik gibt. Die weiße Gentechnik, etwa für industrielle Anwendungen, rote Gentechnik, etwa für Impfungen, und grüne Gentechnik – das ist die Gentechnik, über die wir meistens reden und um die es auch in dieser Staffel ging, da geht’s also um Anwendungen von Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Pflanzen.

Wichtig zu verstehen ist, dass der Mensch seit Jahrtausenden durch Auslese und Züchtung in die Gene von Pflanzen eingreift, nur machte er das immer ziemlich random und blind. Aber das war effektiv, die Wildtomate etwa, also der Ursprung unserer leckeren Paradeiser, hatte nur erbsengroße Früchte. Ohne Veränderung der Gene wäre es also ziemlich unpraktisch und auch nicht so lecker, Tomaten zu Abend zu essen oder in der Pasta zu verkochen. So, das ist mal wichtig. Wir verändern also Gene schon seit Jahrtausenden. Seit einiger Zeit machen wir das auch mehr oder weniger gezielt – mit Gentechnik. Da gibt es etwa eine Methode, von der Martin erzählt hat: Man beschießt zB Tomaten mit radioaktiven Strahlen, die mutieren, also die Genetik verändert sich, und dann schaut man, welche Tomaten man davon weiter verwenden möchte, weil sie etwa leckerer oder größer werden.

Das ist Gentechnik, wird aber lustigerweise nicht als Gentechnik reguliert – also das ist ausgenommen, muss nicht gekennzeichnet werden und wird auch in der BIO-LW verwendet. Also die Tomaten, die in der Werbung als natürlich gekennzeichnet werden, die sind ja ursprünglich aus Mittel- und Südamerika, die gäbe es natürlich gar nicht bei uns, und natürlich wären die Früchte so groß wie Erbsen, was unlustig wäre. Und die werden mit radioaktiven Strahlen beschossen, um sie zu züchten – und mit den Samen werden dann die Tomaten angebaut, die man am Bio-Markt kaufen kann.

Das ist kein Scherz, sondern das ist wirklich so – und ich problematisiere das jetzt nicht, die sind sicher zu essen und gesund und geprüft und alles. Aber es zeigt sich die Absurdität, wie viel Angst wir vor Gentechnik haben, während wir sie tagtäglich einsetzen. Etwa auch in der Herstellung von Bier oder Käse. Bei Käse kann man das Lab aus dem Magen von Kälbern nehmen. Oder aber, viel einfacher, man stellt es im Labor her, man gibt Gene in Bakterien, Pilze oder Hefen, die produzieren dann das Enzym, das man sonst aus dem Kälbermagen nimmt und et voila: Danke Gentechnik für leckeren, sicheren Käse.

Also das ist alles kein Hokuspokus und Studien zeigen ganz, ganz eindeutig, dass alle GT-veränderten Produkte, die bisher auf den Markt gekommen sind, gesundheitlich für den Menschen komplett unbedenklich sind. Da braucht man sich also nicht davor fürchten. Sie gehören wegen der ganzen Aufregung zu den am besten untersuchten Produkten auf der ganzen Welt.

Und wichtig ist jetzt, dass mit der Genschere CRISPR/Cas9 eine neue Technologie da ist, mit der man sehr gezielt in das Genom eingreifen kann. Da muss man nicht mehr mit radioaktiven Strahlen beschießen, sondern kann ganz gezielt ein Gen deaktivieren oder verändern. So kann man etwa Mais dürretolerant machen, oder stickstoffeffizienteren Reis schaffen oder Tomaten, die länger haltbar sind. Das Ganze ist erst am Anfang, aber da sind für die Zukunft tolle Sachen möglich, die uns helfen mit weniger Pestiziden und weniger Ackerfläche gleich viel oder mehr Ertrag zu erzeugen. Das zeigen Studien übrigens auch schon von alter Gentechnik: Sie haben bisher dazu geführt, dass man auf der selben Fläche mehr produzieren kann und so Fläche gespart wird, sie führen dazu, dass tatsächlich weniger Pestizide eingesetzt werden – denken wir da etwa an Bt-Baumwolle in Indien, die gentechnisch so verändert wurde, dass sie ein Protein drinnen hat, dass für Schädlinge giftig ist. So müssen die Menschen dort weniger spritzen – was ja oft händisch gemacht wird in Indien und furchtbar ungesund ist.

Und übrigens: Studien mit Kleinbauern zeigen auch, dass die Profite der Kleinbauern steigen, es ist also eine von Konzernen entwickelte Technik, von der nicht nur die Konzerne mit mehr Profit – was sie auch tun – profitieren, sondern auch die Landwirte, die mehr verdienen.

So, das war Folge 1. Wer es genauer wissen möchte, gerne mal reinhören.

Dann Folge 2 mit Helge Torgersen, der sich 3 Jahrzehnte lang an der Öst Akademie der Wissenschaften mit dem Thema beschäftigt hat.

Von ihm nehme ich mir einen großen Gedanken mit: Woher kommt die Ablehnung? Da müssen wir über 200 Jahre zurückgehen in eine kulturelle Strömung, die vor allem im dt.sprachigen Raum einflusreich war: Die Romantik.

Noch heute kennen wir den Begriff, nutzen ihn vor allem in der Liebe, wenn jemand romantisch ist oder etwas Romantisches gemacht hat.

Damals wurde das breiter verwendet. In der Epoche der Romantik bezog sich „romantisch“ auf die gefühlsbetonte und naturverbundene Art und Weise, wie Künstler und Schriftsteller die Welt darstellten. Es ging um die Betonung von Emotionen, Individualität, Fantasie und die Abkehr von einer rein rationalen Weltsicht.

Es gab ja große Umbrüche, Ende des 18. JH die Französische Revolution, die Aufklärung, die plötzlich alles rational hinterfragte und wo sich viele Gewissheiten verschoben haben, die Kirche verlor an Einfluss und die Wissenschaft begann ihren Siegeszug und gleichzeitig war die Wirtschaft im Umbruch, es begannen die Industrialisierung, langsam keimten kleine Fabriken auf und die Art und Weise, wie Menschen lebten und arbeiteten änderte sich allmählich immer stärker. Und übrigens entstand mit dem Wohlstand durch die Fabriken auch die Umweltverschmutzung, ein bis heute in Summe noch immer sehr akutes Thema.

Die Romantik war eine Reaktion auf diese Veränderungen, eine kulturelle Strömung, in der Kunst, Schriftstellerei, in der Musik, Philosophie, aber auch in den Naturwissenschaften, und die war im deutschsprachigen Raum besonders stark. Und die, sagt Torgersen, und nicht nur er, sondern noch 2 andere Wissenschaftler, mit denen ich für diese Staffel sprach, hat den deutschsprachigen Raum besonders stark geprägt.

Wenn man so will gibt es ein wissenschaftliches Naturverständnis, da sind einfach ein paar Moleküle, die miteinander interagieren und die nüchterne, sinnlose Evolution, die alles steuert. Ein romantisches Naturverständnis ist dann: Alles hängt mit allem zusammen, die Natur als Idylle, als reines, perfektes Wesen, manche sind mit ihr sogar, sagen sie, mit Gott und der Schöpfung in Verbindung und diese Natur soll der Mensch nicht stören. Um jetzt diese beiden Pole einmal ganz überspitzt voneinander abzugrenzen.

So und dieses romantische Naturverständnis ist in Österreich und auch in DE und in der dt.sprachigen Schweiz sehr weit verbreitet – die Geschichte wirkt nach und mit der Grünen Partei, mit der Anti-Atomkraft-Bewegung hat sich dieses romantische Naturverständnis quasi institutionalisiert, und da passt Gentechnik natürlich überhaupt nicht dazu, dieses kalte, rationale Instrument mit der man die ohnehin perfekte Natur verändern will.

Dass das jetzt nicht viel mit der Realität zu tun hat zeigt ja schon das beschriebene Beispiel der erbsengroßen Wildtomaten, wir verändern die Natur, durch den Bau von Autobahnen viel, viel mehr als etwa durch Gentechnik und wir beschießen sie auch mit radioaktiven Strahlen und essen dann die Pflanzen und das ist völlig akzeptiert aber unbekannt. Naja…

Das war ein wichtiger Gedanke aus Folge 2 – ich empfehle euch ganz dringend, da reinzuhören, das ist sehr sehr spannend.

Dann habe ich in Folge 3 von Staffel 3 den Sozialwissenschaftler Franz Seifert interviewt, der mehrere hochinteressante Studien zu Gentechnik in Österreich geschrieben hat.

Der Puzzle-Teil den ich mir da mitnehme ist der: Mit dem Aufkommen der Anti-Atomkraft und Grünen-Bewegung musste sich die konventionelle Landwirtschaftspolitik in Österreich etwas einfallen lassen – was macht man mit diesen Revoluzzern?

Ihre Antwort war, sagt Seifert, die starke Förderung der Bio-Landwirtschaft. Der öst. Einzelhandel sprang freudig auf und schuf Eigenmarken wie Zurück zum Ursprung, Ja Natürlich oder Natur pur – seht ihr da das romantische Naturverständnis?

Die Natur, so wie sie früher war, bevor der Mensch eingriff, als quasi anzustrebendes Ziel, das ist eine ganz andere Erzählung und ein Blick auf die Welt als etwa ein aufgeklärtes Verständnis von Natur: Da könnte man auch sagen, die ganze Geschichte der Menschheit, der Zivilisation, ist eine Ermächtigung über die Natur, die Keime und Bakterien beinhaltet, die uns krank machen, wo es Tiere gibt, die uns zerfleischen, wenn wir uns nicht vor ihnen schützen, wo uns Unwetter gefährden, und die Antwort der Zivilisation war bauen wir uns Häuser, um vor der Natur geschützt zu sein, machen wir Landwirtschaft, damit wir die Natur gezielt so steuern, damit wir uns besser ernähren können, erfinden wir Medikamente wie Antibiotika, damit uns die Bakterien aus der Natur nicht killen…

Jetzt klingt das ein bisschen wertend aber ich meine es nicht nur schlecht mit dem romantischen Naturbild, denn ein rein rationales, kühles Verhältnis zur Natur ist sicher nicht ideal, das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung, ich denke etwa auch dass wir in vielerlei Hinsicht Dinge machen, die sehr schädlich sind, dass wir etwa Arten die seit Millionen Jahren da sind genauso schützen sollten wie den Stephansdom oder den Kölner Dom, oder dass wir Flüsse wieder ein wenig befreien sollten von den Steinmauern, mit denen wir sie reguliert haben, oder dass in Städten teilweise auch die Bäche wieder rauskommen sollen. Und ich finde es großartig, wie sich viele Grüne für die Umwelt, Tiere, Pflanzen und die Landschaft einsetzen und für die Energiewende, und ich finde es eine tolle Kulturform, wie viele Leute in Österreich raus gehen wandern und die Luft und die Bewegung tun uns nachweislich auch emotional und körperlich gut.

Muss man auch aufpassen, dass man nicht in Klischees tappt, wie es gibt viele Grüne Politiker, die da differenziert sind und die Grünen haben

So, das gesagt, leben wir halt heute auf einem Planeten mit modernster, hoch-technologisierter Zivilisation und anders können wir 8 Mrd. oder 10 Mrd. Menschen nicht ernähren, es ist toll, wenn wir der Natur teilweise wieder Raum zurück geben in der Form von Schutzgebi

eten, oder in dem wir Randstreifen bei Feldern lassen und es ist toll, wenn uns die Natur oder besser gesagt die vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft gut tut und das wir dort auch Sinn finden – aber halt nur insofern, als wir dann uns nicht gegen die Wissenschaft sträuben und gegen Technologien, die für eine nachhaltige Welt wichtig sind.

Da so eine Erzählung zu finden, wie man sowohl die Natur schätzt und die vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft pflegen etwa durch extensive LW in den Alpen – wie wir aber auch modernste Technik wie GPS, Drohnen und Gentechnik integrieren und das alles gemeinsam zu Nachhaltigkeit gehört – das versuche ich hier ein bisschen mit S&S und ich bin da erst am Anfang, aber ich glaube so in diese Richtung müssen wir gehen.

Wer mehr dazu hören möchte, bitte hört in Folge 3 rein.

So, Folge 4 von Staffel 3 von S&S: Der Soziologe Ortwin Renn. Ein absoluter Top-Wissenschaftler aus DE, wo es mich sehr gefreut hat, dass er sich Zeit genommen hat für mein Projekt. Was ich mir von ihm mitnehme:

Der Mensch ist es historisch gewohnt, sich zu fürchten. Irgendeine Gefahr gibt es immer. Und weil im deutschsprachigen Raum seit Jahrzehnten keine große wahrgenommene Gefahr bestand, hat sich der Mensch eben einfach eine gesucht, analysiert Renn. Und das waren hierzulande lange die Atomkraft und die Gentechnik, vor denen man sich fürchten konnte.

Laut Renn wurden nach dem AKW-Unfall in Fukushima mehr Jodtabletten in Deutschland verkauft als in Japan.

In der Folge geht’s auch um die Gentechnik-Ablehnung als Symbol für die Ablehnung der Modernisierung, man kommt nicht mehr mit und mag das nicht und will die Stopp-Taste drücken. Es kommt auch dazu, dass viele Leute keine großen Konzerne mögen und auch, dass der Anti-Amerikanismus hierzulande nicht unwesentlich ist – und jetzt kommen diese großen, amerikanischen Konzerne und wollen mit ihrer Gentechnik in unsere reine, perfekte Natur hineinpfuschen – dass das in diesem Weltbild nicht nur Jubel auslöst, ist klar.

So – das war die soziologische Betrachtung. In Folge 5 von Staffel 3 gibt es noch die ökonomische Betrachtung. Ja was würde GT ökonomisch denn überhaupt bringen?

Landwirte können mit ihr die Erträge und ihre Profite steigern, sagt der Agrarökonom Matin Qaim, der einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet auf der Welt ist. Bislang ist es so, dass viele gentechnisch veränderte Pflanzen nur für große, globalisierte Agrarrohstoffe relevant waren – und weniger für die kleinstrukturierte LW, wie wir sie in Österreich haben. Das, sagt Qaim, liegt aber auch an der Regulierung, GT ist so überreguliert, dass es nur für wenige große Agrarrohstoffe wie Soja, Mais oder Baumwolle rentabel ist, zu forschen.

Im Februar 2024 hat das EU-Parlament mehrheitlich für eine Lockerung dieser Bestimmungen gestimmt – aber nur bei Neuer Gentechnik, also mit der Genschere CRISPR Cas zum Beispiel, wenn keine artfremden Gene eingeführt und nicht zu viele Veränderungen gemacht werden. Wenn da noch die Mitgliedsstaaten zustimmen dann könnte das dazu führen, dass es in der Zukunft viel mehr gentechnisch veränderte Pflanzen gibt, die auch lokal angepasster entwickelt werden können. Wir dürfen gespannt sein.

So – und das war eine kurze Zusammenfassung von Staffel 3 von Sonne & Stahl – jetzt brauche ich bitte euer Feedback, wie fandet ihr die Staffel? Was hat euch gut gefallen – was nicht? Was fandet ihr differenziert betrachtet – was einseitig? Und was kann ich in der Zukunft besser machen?

Wenn ihr die Arbeit von S&S wichtig findet und wenn ihr mit dabei sein wollt, wie wir eine neue Erzählung schaffen von Nachhaltigkeit, die einen positiven Zugang zur Natur mit einem positiven Zugang zu moderner Technik und Wissenschaft vereint – dann unterstützt bitte die Mission und helft mit den Podcast zu finanzieren auf sonneundstahl.at/freunde

Vielen Vielen Dank!

Bis bald, euer Andreas