Wie viel Klimawandel ist optimal?

Das klingt – klar, Ökonomen! – kalt und rational, aber hier kann uns die Ökonomie wirklich weiterhelfen.

Let me explain. ??

Theoretisch könnten wir morgen überall damit aufhören, fossile Energie zu verbrennen und Wald, Moore etc. zu Äckern und Weiden zu machen.

Wir blieben deutlich unter 1,5°.

Aber wir würden frieren, Leute am Land nicht mehr mobil sein, Industrie läge brach. Arbeitslosigkeit.

Das kann nicht optimal sein – wir wollen den Klimawandel ja bremsen, weil wir gut leben wollen, wir heute, morgen, unsere Kinder und Enkel übermorgen.

Unsere ganze Wirtschaftsordnung zu ruinieren kann also logischerweise nicht Ziel der Sache sein.

Was also dann?

Das rechnen Ökonom:innen aus, in dem sie die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen mit den Kosten der Klimakrise gegenüberstellen.

Also Ausgaben für Windräder, teureres Autofahren, Wasserstoffinfrastruktur versus Kosten für Ausfälle von Ernten, Überschwemmungen, Hitzetote.

Das ist nicht ganz einfach und dafür muss man viele Annahmen treffen.

Etwa dafür, wie wir heutige Einbußen (weniger Konsummöglichkeiten) mit den künftigen Gewinnen (= Schäden, die nicht eintreten) abwägen und im Modell gewichten.

Der Ökonomie-Nobelpreisträger (don't!) Bill Nordhaus hat ausgerechnet, etwa 3,5 Grad sind ökonomisch optimal. Hochumstritten, aber ist so.

In der Abwägung hat er höher gewichtet, wie es uns heute geht, als wie es den nächsten Generationen gehen wird.

Klingt egoistisch und kalt – klar, Ökonomen! -, aber ist keine absurde Annahme.

Wir sind heute viel reicher als vor 50 Jahren und wir können mit Problemen besser umgehen.

Wir können uns etwa bessere Dämme leisten, Klimaanlagen, bessere Wasseraufbereitung etc.

Wenn die Weltwirtschaft pro Kopf die nächsten 50 Jahre um 2% wächst, steigt der materielle Wohlstand um 170 Prozent!

Natürlich kann man dieser Generation zutrauen, mit Dingen zurechtzukommen, mit denen wir heute nicht zurechtkommen, weil Technologie oder Geld fehlt.

Hat Nordhaus dann also recht? Ist das Paris-Ziel von 1,5-2 Grad ökonomisch schwachsinnig, weil die Politik heute viel zu hohe Kosten verursacht?

Damit hat sich der Klimaökonom Gernot Wagner mit Kollegen in einer neuen Studie auseinandergesetzt.

Wagner macht ein paar Dinge anders als Nordhaus. Zuallererst gewichtet er zwischen den Generationen etwas anders.

Man kann das so vereinfachen, dass heutige Kosten niedriger bzw. künftige Schäden höher gewichtet werden.

Das ändert die Rechnung. Wichtiger ist aber noch…

1. Er rechnet auch Kipppunkte mit rein. Wenn der Amazonas zur Steppe wird, wenn der Meeresspiegel um 7 Meter ansteigt, wenn der Golfstrom aufhört…

2. Er bringt die große Unsicherheit ins Modell. Wir wissen nicht genau, wie viel CO2 wie viel Erwärmung bringt.

Let me continue:

Wir können sagen: Wenn das CO2 in der Atmosphäre verdoppelt wird, bekommen wir mit einer Whslkeit von 66 Prozent 2,3-3,9 Grad.

Mehr dazu hier: https://www.derstandard.at/story/2000119060597/wie-schlimm-wird-der-klimawandel

Klimapolitik und Klimaziele sind also keine Punktlandung.

Zwischen "halb so schlimm" und "Katastrophe".

Durch die Klimapolitik, Investitionen in Erneuerbare, das Lernen von Unternehmen, ist die Whslkeit auf katastrophale Klimawandelfolgen stark gesunken.

Halten alle Länder ihre in sich gesteckten Ziele ein, schaffen wir es zu 80 Prozent, unter 2 Grad zu bleiben.

Nur …

Wenn es eine, sagen wir, 10-prozentige, Chance gibt, auf absolut katastrophalen Klimawandel.

Sagen wir +3°, 4°, 5°, Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, Millionen Tote, Konflikte, Wassermangel.

Wie rechnen wir das dann in das Modell zum optimalen Klimawandel ein?

Das hat Gernot Wagner mit Kollegen jetzt gemacht.

Und wenig überraschend kommt heraus: Wenn es die Chance einer Katastrophe gibt, sollte man eher vorsichtiger unterwegs sein.

Wenn unser Haus mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% abbrennt, würden wir uns jedenfalls sorgen.

Was ist also laut Wagner der optimale Klimawandel, bei dem die heutigen Kosten und die Schäden in der Zukunft (plus eben potenzielle Katastrophen) seriös abgewogen werden?

1,5 Grad.

Klingt jetzt nach einem "Jo na eh"-Ergebnis, aber bisher gab's diese Bestätigung so noch nicht.

Was heißt das jetzt also?

Nimmt man 1,5 Grad ernst (die SPÖ hat das Ziel etwa in ihrem Grundsatzprogramm), dann müssen wir die Politik auf den Kopf stellen.

Sofort umfassende Programme um Verbrauch von Energie einzudämmen (weniger Auto- und Lkw-Verkehr, höhere CO2-Preise etc.)

Das klingt radikal und ökonomich unvernünftig, aber wenn Wagner und Kollegen recht haben, dann ist das einzig ökonomisch Vernünftige.

Das heißt: Wer Politik für 2,7 Grad macht, wie wir 8 Mrd. Menschen derzeit, der ist hoch unvernünftig.

Der ist nicht wirtschaftlich pragmatisch.

Sondern der ist absolut wahnsinnig.

Hier der Link zur Studie: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4350865

Hier Hintergrund zu Bill Nordhaus:

https://blogs.faz.net/fazit/2019/06/02/wie-teuer-ist-der-klimaschutz-10737/

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Originally tweeted by Andreas Sator (@a_sator) on 20. April 2023.